Dr. med. Thomas Jeck, niedergelassener Facharzt FMH für Innere Medizin und Endokrinologie und Diabetologie in Basel, erklärt, wie ein CGM (Continous Glucose Monitoring) bei Diabetes vom Typ 1 hilft, das Risiko für eine nächtliche Unterzuckerung (Hypoglykämie) zu mindern.

Dr. med. Thomas Jeck
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Facharzt FMH für Innere Medizin und Endokrinologie/Diabetologie
Vor welchen alltäglichen Herausforderungen stehen Betroffene mit Diabetes Typ 1? Herausfordernd ist, die Zuckerkonzentration im Blut im Zielbereich zu halten. Dabei sind drei Faktoren zu beachten:
- Ernährung steigert die Blutzuckerkonzentration durch den Abbau von Kohlenhydraten zu Zucker im Rahmen der Verdauung und durch Zuckerzufuhr direkt.
- Bewegung erhöht den Zuckerbedarf in der Muskulatur, beeinflusst somit auch die Zuckerkonzentration im Blut.
- Stress aktiviert Hormone, die die Insulinwirkung schwächen.
Warum sind nächtliche Unterzuckerungen bei Typ-1-Diabetes so riskant?
In der Regel warnt der Körper mit typischen Signalen wie Zittern, Schwitzen und Herzklopfen vor einer Hypoglykämie. Im Schlaf hebt uns das Gehirn jedoch auf ein anderes Bewusstseinslevel mit einer schwächeren Wahrnehmung.
Warnungen des Körpers vor einer Unterzuckerung werden dann nicht oder zu spät wahrgenommen. Hinzu kommt, dass diese Warnsignale im Laufe der Jahre auch schwächer oder gar nicht mehr gesendet werden. Und andere Warnsignale, die hinzukommen können, wie Konzentrationsstörungen oder gedankliches Abschweifen, sind im Schlaf nicht wahrnehmbar. Keine Warnung heisst: Man hat keine Möglichkeit, eine Unterzuckerung zu verhindern. Wie stark beeinflusst die Angst vor einer nächtlichen Hypoglykämie Schlaf und Erholung? Es sind weniger die Betroffenen, die sich davor sorgen und nicht schlafen, sondern mehr deren Angehörige. Die Patient:innen spüren Warnsignale wie Unruhe im Schlaf meist nicht, neben ihnen schlafende Partner:innen dagegen schon.
WAS BEI DIABETES TYP 1 IM KÖRPER PASSIERT
Insulin bewirkt, dass Zucker aus dem Blutkreislauf in das Gewebe aufgenommen und verstoffwechselt wird. Werden die insulin produzierenden Betazellen in der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) infolge einer Autoimmunreaktion angegriffen und zerstört, kommt es zu einem Insulinmangel. Dieser führt zu einem Rückstau des Zuckers im Blutkreislaufsystem, also zu einem zu hohen Blutzuckerlevel beziehungsweise einem Diabetes Typ 1.
Welche Vorteile bietet das CGM im Umgang mit nächtlichen Unterzuckerungen?
Der Vorteil der kontinuierlichen Glukosemessung ist, dass der zugehörige Sensor, der im Fettgewebe der Unterhaut am Oberarm oder Bauch positioniert wird, alle fünf Minuten den Zuckergehalt im Fettgewebe misst. So erfährt man am Morgen, was nachts los war. Daraus lassen sich Schlüsse für Verhalten und Behandlung ziehen. Zudem warnen die CGM-Geräte bei einem nächtlichen Abfall der Zuckerwerte. Neueste CGM-Sensoren können sogar Vorhersagen vor dem Zubettgehen machen, damit die Betroffenen Massnahmen einleiten können, die eine ruhige Nacht ermöglichen.
Warum ist das CGM gerade für Menschen mit Typ-1-Diabetes sinnvoll?
Die Therapie eines Diabetes 1 birgt Gefahren im Zusammenhang mit der Insulindosierung. Bei Gesunden ist die Freisetzung des Insulins aus der Bauchspeicheldrüse perfekt an die Blutzuckerkonzentration angepasst, sodass nur minimale Blutzuckerschwankungen entstehen. Eine Insulintherapie bei Diabetes mellitus Typ 1 kann sich dieser Perfektion annähern, aber sie erreicht sie nicht. Es besteht deshalb immer das Risiko, dass Insulin zu hoch oder zu niedrig dosiert wird, sodass im ersten Fall eine Unterzuckerung, im zweiten Fall eine Überzuckerung entsteht. Ein CGM kann den Bedarf an Insulin zuverlässiger als eine Blutzuckermessung identifizieren.
Wie kann das CGM den Alltag von Betroffenen in Bezug auf Planung, Flexibilität und Lebensqualität verbessern?
Ein CGM hilft, den Zuckerspiegel engmaschig zu beobachten und bei Bedarf adäquat zu reagieren. Wird aufgrund von Nahrungsaufnahme oder Stress mehr Insulin gebraucht, kann es zeitnah verabreicht werden. Verschiedene Organe, vor allem die Leber, produzieren selbst Zucker und geben diesen an den Blutkreislauf ab. Die Gabe langwirkenden Insulins (24 Stunden) deckt diese Zuckerabgabe in der Regel ab. Hier bieten die vom CGM gelieferten Verlaufswerte des Zuckerspiegels die Chance, sofort gegenzusteuern, wenn diese zu eskalieren drohen. So bringt die kontinuierliche Glukosemessung Betroffenen maximale Freiheit, Selbstständigkeit und Sicherheit in der Planung ihres Alltags. Die Werte können zu jeder Zeit per Handy oder Lesegerät abgerufen werden. Da das CGM auch Trendwerte dazu liefert, ob die Zuckerwerte steigen, fallen oder stabil sind, ist selbst vorausschauende Planung möglich. Das macht den alltäglichen Umgang mit Diabetes mellitus Typ 1 flexibler und verbessert die Lebensqualität der Patient:innen.
Welche Tipps helfen Betroffenen, ihren Diabetes und nächtliche Unterzuckerungen zu kontrollieren?
- Checken Sie per CGM mindestens 14 Tage lang, was ihr Blutzucker in der Nacht treibt. Erkennen Sie eine Regelmässigkeit, haben Sie eine gute Basis für Ihr Diabetesmanagement. Sollte sich keine Regelmässigkeit ergeben, sprechen Sie unbedingt mit Ihren Diabetolog:innen. Wir erkennen unter Umständen auch versteckte Muster.
- Schalten Sie den Alarm vom CGM-Gerät nachts ein! Das verschafft Ihnen und denen, die neben Ihnen schlafen, ein sicheres Gefühl. Bedenken Sie, dass vor allem die Menschen an Ihrer Seite Angst vor einer Unterzuckerung bei Ihnen haben. Ein CGM warnt alle zuverlässig und rechtzeitig, sobald sich etwas zusammenbraut. Es gibt Ihnen die Chance, geeignete Gegenmassnahmen zu ergreifen.